Heft 3/21, Leben mit Hunden, Premium

Wohn‘ mobil! Das fahrende Hundevolk

Durch meine Tätigkeit als Referentin für Verhaltensmedizin beim Hund kommen einige Kilometer
zusammen, da wir – die Strodtbeck-Meute ist natürlich stets dabei! – fast jedes Wochenende »on the road« sind und Seminare im gesamten deutschsprachigen Raum halten. 20.000 Kilometer in einem halben Jahr sprechen für sich …

Während meine Autos die Beanspruchung allesamt nicht allzu lange überleben und aufgrund zu vieler Kilometer irgendwann nur noch die »ewigen Jagdgründe« bleiben, erfreuen sich die Hunde des (bzw. meines) Lebens und trotz der vielen Kilometer, die sie »runter« haben, bester Gesundheit und Lebensqualität.

Die Entscheidung
Seit Jahren blitzt immer wieder der Gedanke an ein Wohnmobil auf, weil es sich bei meinem Job einfach anbietet. Denn wer gefühlt mehr auf der Straße unterwegs, als zu Hause ist, sollte es sich dort möglichst bequem einrichten. Bisher scheiterte das aber, wie so vieles, an den Finanzen …

Also war ich bisher so gut wie jedes Wochenende mit der Meute in irgendwelchen Hotels, was zwar durchaus möglich, aber auch mit einem gewissen Stress für uns alle verbunden war. Für meine Hunde ist zwar das Wesentliche, dass sie mit dabei sein dürfen, aber jedes Wochenende eine andere Umgebung macht auch den Hunden wenig Spaß und wird mit zwei Senioren irgendwann zum Problem, nämlich spätestens, wenn die ersten Demenzerscheinungen auftreten. Denn auch für wahre »Wildcamper« wird Struktur irgendwann wichtig, und nachdem Piccolo inzwischen stocktaub ist und auch kaum mehr etwas sieht, bietet ein festes Zuhause auf jeden Fall gewisse Vorteile, was seine (nachlassende) Orientierung angeht.

Und es bedeutet auch für mich eine deutliche Entstressung, denn ich lasse sie lieber an einem ihnen bekannten Ort auch mal alleine als in einem fremden Hotelzimmer. Und auch wenn alle meine Hunde die »Situation Hotel« mit Bravour meisterten und ich sie auch mal alleine im Zimmer lassen konnte, ohne dass es da danach aussah, als wäre eine Rockband abgestiegen und hätte nach dem Gig noch eine After-Show-Party veranstaltet, fühlt man sich in den meisten Hotels mit Hund unter Generalverdacht, auch ganz ohne dass sie etwas anstellen. Und ich finde, dass auch ein Wohnmobil ein ganz guter Ort für abgehalfterte Rockstars ist, die ihre besten Zeiten bereits hinter sich haben …

Und nun war es mal wieder so weit: Mein alter VW-Bus beschloss relativ spontan, aufgrund von Überbelastung die Grätsche zu machen, und ein neues Auto musste her. Das war die Gelegenheit, meinen lang gehegten Traum vom fahrenden Zuhause zu verwirklichen, und so zog endlich ein zum Wohnmobil umgebauter Kastenwagen ein.

Für mich bedeutete das »Raus aus der Komfortzone« – und rein in die nächste! Tatsächlich ist es für mich bereits 20.000 Km später unvorstellbar, ohne ein mobiles Zuhause unterwegs zu sein. Und der Plan von entspannteren Hunden und einem entspannteren Menschen ging auf!

Die Entscheidung für einen Kastenwagen und gegen ein »echtes Wohnmobil« fiel übrigens relativ leicht, da ich 1.) ein Auto suchte, das ich auch als Alltagsauto verwenden kann, 2.) für mich und die – zum Glück derzeit kleinen – Hunde nicht allzu viel Platz benötige, 3.) zum Beispiel in den Kasseler Bergen nicht zwischen den LKWs hängen wollte, also ein paar PS Voraussetzung waren, und ich 4.) möglichst unauffällig freistehen wollte, da ich eine ausgeprägte Campingplatz-Allergie mein Eigen nenne. Und das, ohne jemals auf einem gewesen zu sein. Allerdings stehe ich meistens auf Privatgrund bei Seminarveranstaltern oder Freunden.

Die Reisegruppe
Wir sind zu fünft, und das wird auch erst mal so bleiben! Zum Glück ist ein KaWa (= Abkürzung für Kastenwagen) ein vernünftiger limitierender Faktor und ein wirklich plausibler Grund für die Hundeanzahl und -größe im Hause Strodtbeck. Und getreu dem Motto »Nichts passiert ohne Grund« weiß ich jetzt, warum ich »plötzlich« von Kleinhunden und Mikroorganismen umgeben bin, denn mit vier Bernhardinern hätte die Autoauswahl wohl ganz anders aussehen müssen … Kommende Hunde werden wohl in Zukunft nicht nur nach »Kamerafreundlichkeit«, sondern auch nach »Autokompatibilität« ausgesucht. Da ich inzwischen ein ausgesprochener Freund kleiner Hunde bin, gibt es aber wahrlich Schlimmeres.

Der Alterspräsident der Gruppe ist Piccolo, oder auch »die Piccozei« (aus Gründen, über die der Rest der Reisegruppe ein Lied jaulen kann …), ein 16-jähriger Spitz-Chi-huahua-Mix. Piccolo ist seines Zeichens ein wahrer Dauercamper, am liebsten würde er das Haus gar nicht mehr verlassen. Und wenn doch, dann ausschließlich, um auf einem »schönen« Dauercampingplatz mit hübschem Jägerzäunchen um die Parzelle, ordentlich geschnittener Rasenkante und ein paar hübsch drapierten Gartenzwergen und Beagle-losen Nachbarn ein paar ruhige Tage zu verbringen. Da er leider bei mir gelandet ist, muss er mein Leben mitleben und ist fortan gezwungen, mit einem Beagle auf ca 10 qm quer durch die Republik zu reisen. Leben ist das, was passiert, während man Beagle-lose Pläne macht …

Als Mensch wäre er tatsächlich eine Katastrophe, er würde den ganzen Tag auf dem Fensterbrett hängen und die Nachbarn in den Wahnsinn treiben: »Sie dürfen da nicht parken!«, »Sie sollten dringend mal wieder das Laub blasen!« und »Sie haben aber gestern ziemlich lange und laut gefeiert!« – igitt, Spaß, damit kann er nicht wirklich gut umgehen … Aber zum Glück ist er ein Hund und als solcher ganz großartig. Solange man kein Beagle ist. Und ebenso zum Glück ist ihm eines noch wichtiger als zu Hause zu sein: bei seinem Menschen zu sein, weswegen er dann doch mit als erster an der Türe steht, wenn es wieder heißt »Hunde, wir stechen in See!«.

Apropos Beagle: Auch der alte Meiermann, inzwischen 14 Jahre alt, ist natürlich dabei und genießt das Campen in vollen Zügen und den kleinen Kastenwagen. Man könnte sogar behaupten, das Campen wurde für ihn erfunden. Meier liebt es, sich den Fahrtwind um die Ohren pfeifen zu lassen, und wenn wir ankommen, erst mal in Ruhe das neue Revier zu erkunden; er bevorzugt Stellplätze im Wald. Okay, dass er stets vier weiße Tennissöckchen an allen vier Füßen trägt, ist als Wildcamper diskussionswürdig, aber einen schönen Hund entstellt nichts! Als Mensch wäre er wohl der Typ Surferboy, stets gut gelaunt, ein echter Naturbursche, kontaktfreudig und etwas distanzlos. Wäre da nicht sein etwas übertriebener Freiheitsdrang, wäre er wohl der Inbegriff eines optimalen Mitcampers, auch wenn er eher für leere als für volle Kühlschränke zuständig ist. Aber er behauptet nach wie vor standhaft, »all you can eat« gebucht zu haben …

Die nächste im Bunde – ähem im Wagen – ist Piranha, eine sechsjährige Chihuahua-Hündin. Größter Vorteil: Sie lässt sich platzsparend verräumen, und bei 2,9 Kg muss man sich auch keinen allzu großen Kopf um die Zuladung machen. Ansonsten ist das Pü – auch bekannt als die kleine Bordsteinschwalbe und mit einer gehörigen Portion Sexualhormone ausgestattet – der Meinung, dass wir einzig und alleine zum Zwecke der Bräutigamschau unterwegs sind. »Kinder, bitte, nur ein paar!« ist mit ihr quasi das neue »Sind wir bald da?« Ob das ausgeguckte Gegenüber kastriert oder gar eine Hündin ist, mein Gott, das darf man nicht so eng sehen … Da sie die Hoffnung auf Nachwuchs noch nicht an den Nagel gehängt hat, ist auch sie gerne mit auf Tour.

Und nun zum Küken, Rita-Line, ihres Zeichens ein 4-jähriger Beagle/Yorkie. Ich glaube, Rita wurde fürs Campen geboren, denn eintönig kann ja jeder. Sie ist eine echte Rita Sorglos, und genauso freundlich, wie sie in die Welt schaut, begegnet ihr die Welt. Falls wir irgendwo mal Nachbarn haben, ist sie der Garant für gute nachbarschaftliche Beziehungen; auf keinen meiner Hunde werde ich so oft angesprochen wie auf Rita. Als Mensch wäre sie vermutlich ein süßes, kleines Mädchen und würde dann hoffentlich zwei Zöpfe anstelle eines Damenbartes tragen. Aber für einen halben Terrier geht auch ein Damenbart klar, und ich finde, sie kann ihn tragen!

Und dann wäre da noch ich, die Reiseleiterin und Chauffeuse der illustren Reisegruppe. Auch wenn ich seit einem halben Jahr mehr unterwegs als zu Hause bin, habe ich eine ausgesprochene Campingplatzallergie und einen solchen noch nie von innen gesehen. Wozu auch, wenn man überall wunderbar freistehen kann?

Unsere erste Tour ging nach Berlin, und nachdem dort der Veranstaltungsort des Seminars direkt am Kiez war, habe ich inzwischen auch meinen Respekt vor dem sechs Meter langen »Schiff« verloren. Bisher kam ich auch unbeschadet durch Großstädte und konnte überall problemlos parken – auch wenn das unter Umständen ein paar mehr Meter Fußweg bedeutet. Aber das freut die Gesundheit und die Hunde …

Das Vanlife …
… ist herrlich entspannt! Meine Touren sind kein Vergleich zu früher, als ich eigentlich immer Sonntag abends wieder nach Hause gefahren bin, um ja nicht noch eine Nacht mit den Hunden im Hotel bleiben (und zahlen) zu müssen. Jetzt hängen wir eigentlich immer noch einen Tag dran, nutzen schöne Fotolocations auf der Strecke oder besuchen spontan Freunde. Und auch auf Seminaren ist alles einfacher, weil ich da meistens den Hundeplatz als Stellplatz nutzen kann und so in der Früh immer als Erste da bin und Zeit spare. Und als Beaglehalterin weiß ich den unglaublichen Luxus eines eingezäunten Stellplatzes durchaus zu schätzen! Auf der Strecke stehen wir frei und bleiben einfach dort, wo es uns gefällt.

Nach einem halben Jahr on tour habe ich festgestellt, dass der Zugang zur Natur in einem Camper nochmal ein ganz anderer ist. Gerne denke ich an die Übernachtung auf dem Parkplatz eines Friedhofes eines alten Klosters in Hessen, als die ganze Nacht ein Käuzchen über dem WoMo schrie. Schaurig-schön! Oder an die Nacht danach, irgendwo auf einem freien Feld, als das Bellen der Rehe rings um unsere Schlafstätte den Beagle in den Wahnsinn und die Schlaflosigkeit trieb. Oder die Füchse und die Wildschweine, die ich in der Früh beim Kaffee aus dem Bett heraus beobachten konnte. Oder andersrum, den Erpel, der mich in der Früh beim Kaffee beobachtete, weil er auf einem Mäuerchen neben meinem Bett saß und zum Fenster hineinschaute.

Und endlich bekomme ich etwas von den schönen Ecken unseres Landes mit, an denen ich früher immer nur in Eile vorbei gefahren bin. Jetzt ist der Weg das Ziel, und nebenher wird gearbeitet. Und das ist das Schöne: ich kann, wenn nicht gerade ein Seminar ansteht, überall und vor allem dann, wenn ich möchte, arbeiten. Die einzige Voraussetzung ist Internet, und dieses Problem lässt sich mit einem mobilen Router und Solar auf dem Dach lösen.

Ein weiterer Vorteil des Vanlifes mit Hunden ist, dass man nochmal ganz anders zusammenwächst, weil es als Bedarfsgemeinschaft auf so engem Raum gar nicht anders geht. Denn auch, wenn meine Hunde sowieso den Luxus haben, 24 Stunden pro Tag mit mir zu verbringen (ob sie das auch als Luxus sehen?!), hat sich unser Zusammenleben auf engem Raum auch nochmal positiv auf uns als Team ausgewirkt. In dem Zusammenhang denke ich zum Beispiel sofort an eine unserer ersten Fahrten, als wir beim ersten (Tief!)Schnee im Fichtelgebirge strandeten und die Heizung andere Pläne hatte als ich. Jeder einzelne von uns wäre vermutlich erfroren – ich habe stattdessen spontan das Bettverbot im WoMo aufgehoben und hatte sofort drei Hunde mit mehr oder weniger gutem Preis-/Heizungsverhältnis unter der Decke. Nur der Chihuahua musste es mal wieder übertreiben und allen beweisen, dass ein Chihuahua ein knallharter Knochen ist und keinesfalls eine Decke benötigt. Im Gegensatz dazu war Piccolo vermutlich das erste Mal in seinem Leben froh, einen Beagle sein Eigen zu nennen … Solche Situationen schweißen zusammen, und gemeinsam fühlt man sich auch sofort sicherer. Und wie beruhigend es ist, vier Hunde an Bord zu haben, durfte ich auch schon erleben, nämlich als nachts um 12°° Uhr plötzlich zwei Gestalten mit Taschenlampe um das WoMo schlichen. Was sie wollten, weiß ich bis jetzt nicht, aber unvergessen ist bis heute der »Sound« des Beagles, der mich darauf aufmerksam machte: so eine Aggression habe ich in den vergangenen 14 Jahren noch nie in seiner Stimme gehört! Ich hätte ihn, der seine Zähne noch nie für etwas anderes als Fressen benutzt hat, nicht rauslassen wollen, weil ich mir sicher war, dass er in dieser Situation auch zugebissen hätte. Aber das war auch gar nicht nötig, denn Meier klingt circa 5x so groß, mächtig und gefährlich, als er tatsächlich ist. Dazu ein Background-Chor bestehend aus einem kreischenden Terrier und zwei hysterischen Chihuahuas, deren Taktik es offenbar ist, Feinde durch Tinnitus handlungsunfähig zu machen, und wir hatten sehr schnell wieder unsere Ruhe auf dem freien Feld.

Ich hatte auch schon ein paar Mal den Gedanken, dass es für manche Mensch-Hund-Teams mit einer problematischen Konstellation vielleicht hilfreich sein könnte, sie einfach mal für vier Wochen auf engstem Raum auf Tour zu schicken. Wer dabei nicht zum Team wird, bei dem ist wohl auch nicht viel mit Team …

Wohn‘ mobil!
Für mich ist der KaWa zum Sinnbild für Freiheit und Unabhängigkeit geworden – alleine dass er jederzeit gepackt vor der Türe steht und ich sofort losfahren könnte, ist ein großartiges Gefühl! Seinen Zweck hat er jetzt schon erfüllt – er entstresst mein Leben und damit auch das meiner Hunde. Analog zum Leben, gilt es auch im WoMo auf die zulässige Zuladung zu achten, und so bleibt jeglicher unnötiger Ballast zu Hause, wenn wir in See stechen. Wir reisen also mit kleinem Gepäck, und das in jeder Hinsicht. Und wie so oft wurde aus einem »raus aus der Komfortzone« ein »rein in eine neue Komfortzone«, die derzeit mein Leben nahezu perfekt macht. Denn nach einigen Schicksalsschlägen war »das Schiff« für mich tatsächlich der Weg wieder hinaus ins Leben – die Reise zurück zu mir selbst habe ich im Kastenwagen angetreten. Und das gar nicht, weil wir irgendwelche spektakulären Urlaubsziele besucht haben, sondern ganz einfach durch eine weitere wichtige Analogie zum Leben: Der Weg ist das Ziel, und ich bleibe einfach in dem Moment / an dem Platz, an dem ich mich gerade wohl fühle, und das ist in der Regel irgendwo mit den Hunden in der Natur. Denn das Schöne ist eigentlich immer um einen herum – man muss es nur sehen und mit offenen Augen durchs
Leben … fahren! 🐾

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