Aktuelles Heft, Heft 4/22, Hund Gesund, Premium

Reiseapotheke für Hunde

Der Urlaub ist die schönste Zeit im Jahr, da sind sich die Camper einig. Doch ebenso gilt: Ist der Hund krank, dann ist es auch sein Mensch. Ganz vermeiden lässt sich das Risiko nicht, egal wie umsichtig man unterwegs ist. Doch eine gut ausgestattete Reiseapotheke hilft in vielen Fällen, dass aus kleinen Problemen keine großen Probleme entstehen. Und sie hilft Ihnen in sehr seltenen, dramatischen Fällen schnell zu handeln und damit vielleicht sogar Leben zu retten.

Dass der Impfpass ins Reisegepäck gehört, ist selbstverständlich. Zudem empfehle ich, bei Hunden mit chronischen Erkrankungen oder einer akuten, behandlungsbedürftigen Erkrankung innerhalb des letzten Jahres eine Kopie der tierärztlichen Befunde mitzunehmen. Das kann eine Kopie der Rechnung sein, wenn darauf die Medikamente aufgeführt sind oder Sie bitten Ihren Tierarzt um einen Auszug aus der Patientenakte. Auch Diagnostikergebnisse wie die letzten Blutbilder oder Röntgenbilder sollten Sie abfotografieren und mit sich führen. Sollte Ihr Hund während des Urlaubs einem Tierarzt vorgestellt werden müssen, können diese Informationen sehr entscheidend für die Behandlung sein. Übersetzungen dieser Dokumente sind meist nicht nötig, die wesentlichen Informationen sind für Tierärzte international verständlich.

Eine funktionierende Lichtquelle darf in keiner Reiseapotheke fehlen. Besonders Alleinreisende sind mit einer Kopflampe gut beraten, um die Hände frei zu haben für den Hund. Egal wie umgänglich und gut erzogen Ihr Liebling ist, bei Schmerzen ist immer mit heftigen Abwehrreaktionen zu rechnen. Gehen Sie nie das Risiko ein, durch mangelnde Sicherung verletzt zu werden. Eine Maulschlaufe kann auch aus einer Mullbinde gebunden werden, allerdings geht es deutlich schneller und entspannter, einen passenden Maulkorb aufzuziehen.

Oft unterschätzt wird das Fieberthermometer, dabei kann es das Leben Ihres Hundes retten! Stellen Sie sich vor, Sie sind mit Ihrer Hündin Molly im Wanderurlaub in den Alpen. Es ist schon ziemlich warm im Mai, Sie sind seit einer Woche unterwegs, haben viele Kilometer gemeinsam geschafft und gönnen sich heute einen Pausetag. Molly ist gestern auf dem Rückweg schon etwas langsamer gelaufen als sonst, aber Sie können das verstehen, Sie haben selbst auch mächtigen Muskelkater. Heute liegt Molly hechelnd im Schatten und steht nur auf, um zu trinken. Dreimal füllen Sie ihren Napf nach, aber es ist ja auch wirklich warm. Dass sie bei dieser Hitze ihr Futter stehen lässt, wundert Sie kaum. Am nächsten Tag möchte Molly noch nicht wieder wandern. Als sie auch am dritten Tag nicht fressen mag, überlegen Sie, ob das vielleicht etwas Ernstes sein könnte, doch es ist Samstagnachmittag, ein Tierarzt ist jetzt bestimmt schlecht zu erreichen und morgen geht es sowieso nach Hause. Mollys Zustand bessert sich nicht und nach Ihrem ersten Arbeitstag stellen Sie Molly ihrem Haustierarzt vor. Dieser misst in der allgemeinen Untersuchung 40,5 °C, eindeutig Fieber. Er sucht nach der Ursache und findet die mit Eiter gefüllte Gebärmutter, Pyometra. Wenn es jetzt ganz dramatisch läuft, überlebt Molly die Notoperation aufgrund einer fortgeschrittenen Sepsis (Blutvergiftung) nicht. Und das nur, weil Sie den Ernst der Lage verkannt haben. Denn Molly hatte schon am ersten Pausetag 40 Grad Fieber, aber Sie wussten das nicht, denn Sie haben nicht gemessen. Die Körpertemperatur bei Hunden wird rektal gemessen. Die Normaltemperatur liegt zwischen 38 °C und 39 °C. Nach starker Aufregung oder körperlicher Belastung sind kurzzeitig auch bis 39,5 °C normal, ebenso bei Welpen. Ein Hund mit über 40 °C Körpertemperatur sollte möglichst am gleichen Tag einem Tierarzt vorgestellt werden.

Ob beim Klettern im Gebirge oder auf heißem Asphalt auf dem Weg zum Strand – Hundepfoten müssen einiges aushalten. Kleine Schnittverletzungen oder Blasen zeigen sich entweder durch Lahmheit, oft aber auch nur durch vermehrtes Belecken der Pfote. Mit passenden Pfotenschutzschuhen können Sie das Abheilen beschleunigen. Weiterhin können Pfotenschutzschuhe an den Hinterpfoten kurzzeitig gegen Selbstverletzung durch Kratzen bei akutem Juckreiz helfen. Sollte eine Krallenspitze splittern, hilft es, sie mit der Krallenschere zu kürzen, damit sie beim Laufen weniger belastet wird. Oft reicht das schon, damit Ihr Hund wieder schmerzfrei laufen kann.

Zecken sind nicht nur lästig, sie übertragen auch tödliche Krankheiten. Daher sollte jede Zecke so schnell wie möglich entfernt werden. Ob mit Zeckenzange, Pinzette oder nur mit den Fingerspitzen ist Geschmacksache – ich empfehle den Zeckenhaken, damit funktioniert das Entfernen des Kopfes zuverlässig. Trotzdem ist eine an das Urlaubsland angepasste Parasitenprophylaxe unerlässlich. Ein Wirkstoff, der Ihren Hund in Dänemark zuverlässig schützt, kann für einen Urlaub in Italien ungeeignet sein. Lassen Sie sich bei Auslandsaufenthalten unbedingt vor Reiseantritt von Ihrem Tierarzt beraten, das Thema der vektorübertragenen Krankheiten (»Reisekrankheiten«) ist wirklich komplex.

Auch eine Pinzette gehört zum sicheren Entfernen jeglicher Fremdkörper selbstverständlich in Ihre Reiseapotheke. Alle Wunden sollten vorsorglich mit einem Wunddesinfektionsmittel desinfiziert werden. Zu beachten ist, ausschließlich ein für Wunden geeignetes Präparat zu nutzen, beispielsweise Octenisept oder Prontosan Wundspüllösung. Die üblichen Handdesinfektionsmittel auf Alkoholbasis sind nicht geeignet. Danach kann eine Wundsalbe aufgetragen werden. Oft ist ein Belecken durch den Hund nicht ganz sicher auszuschließen, achten Sie daher auf eine Unbedenklichkeit bei oraler Aufnahme. Zu empfehlen sind Honigsalben mit Manukkahonig, da dieser zusätzlich einen antibakteriellen Effekt hat, zum Beispiel Mielosan Honigsalbe oder ManukaLind Wundheilsalbe.

Um für blutende Verletzungen gerüstet zu sein, brauchen Sie Verbandsmaterial (Kompressen, Mullbinde, Polsterwatte) eine Schere und Klebeband. Vielleicht nutzen Sie für die Hundeapotheke einen ausgemusterten Autoverbandskasten, dann haben Sie alles griffbereit zusammen verpackt. Ergänzen sollten Sie selbstklebende CoFlex-Binden, damit werden Verbände deutlich stabiler. Auch für einen Druckverband zum Stillen von Blutungen an den Gliedmaßen eignen sich selbstklebende elastische Binden. Planen Sie an abgelegenen Orten mit Ihrem Hund zu campen, lohnt es sich vor der Reise an einem Erste Hilfe Kurs für Tierbesitzer teilzunehmen und Verbände anlegen unter Anleitung zu üben.

Im Kühlschrank Ihres Wohnmobils sollte jederzeit ein Gelpad bereitliegen, um schnell und effektiv kühlen zu können, beispielsweise nach Insektenstich. Wenn der Hund im Sommerurlaub keinen noch so stinkenden Tümpel auslassen kann, dann hilft das Duschen mit Hundeshampoo danach sowohl Ihrer Nase, als auch einer Dermatitis (Hautentzündung) Ihres Hundes vorzubeugen. Mit Ihrem Hund im Wohnmobil auf engstem Raum zusammenzuleben ist toll, birgt jedoch auch Gefahren. Zoonosen nennt man Krankheiten, die zwischen Mensch und Hund übertragbar sind. Dazu gehören auch Spulwürmer und der Fuchsbandwurm. Daher sollten Sie sich unbedingt vor der Reise bei Ihrem Haustierarzt eine Wurmkur abholen und in Ihrer Reiseapotheke lagern. Bei sichtbarem Wurmbefall könnten Sie dann direkt handeln. Denn auch regelmäßiges prophylaktisches Entwurmen nach ESCCAP-Richtlinien oder nach Kotprobenuntersuchung schließt einen erneuten Wurmbefall während des Urlaubs nicht aus.

Wie gut Hunde die fremde Umgebung, den geänderten Tagesablauf und am Strand gefundenen Stinkefisch vertragen, ist sehr individuell. Aber Erbrechen und Durchfall gehören zu den häufigsten Symptomen, unter denen Hunde im Urlaub leiden. Im Idealfall nehmen Sie für den kompletten Urlaub ausreichend bewährtes Futter von zu Hause mit. Ist der Magen trotzdem gereizt, können neben leicht verdaulicher Diät auch Präparate mit Ulmenrindenpulver (z.B. Acid Protect Kautabletten) helfen. Sie binden Wasser und bilden Schleim, der die Magenwand abdeckt und den Brechreiz lindert. Auch bei Durchfall gibt es gut wirksame pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel für Hunde (z.B. Diatab, Canikur). Sollte nach zwei Tagen keine Besserung eintreten, ist ein Besuch beim Tierarzt nötig. Speichern Sie sich vor jeder Reise schon zu Hause die Adresse eines Tierarztes und einer Tierklinik mit 24 Stunden Notdienst in der Nähe ihres Urlaubsortes. Das spart im Ernstfall Zeit. Benötigt Ihr Hund dauerhaft Medikamente, sollten Sie diese in ausreichender Menge mit sich führen. Wenn Sie auf Ihrer Reise Landesgrenzen überqueren, müssen die Medikamente in der Originalverpackung aufbewahrt werden. Bei potenten Schmerzmitteln, die aus der Humanmedizin für Ihren Hund umgewidmet wurden, sollten Sie den legalen Besitz mit einem Rezept Ihres Tierarztes nachweisen können. Tatsächlich wird das innerhalb der EU eher nicht kontrolliert, an EU-Außengrenzen dagegen habe ich diese Kontrollen selbst erlebt.

Einen letzten wichtigen Hinweis: Egal wie dramatisch sich die Situation darstellt, egal wie hilflos Sie sich in diesem Moment fühlen, geben Sie Ihrem Hund niemals Medikamente für Menschen ohne Absprache mit einem Tierarzt! Selbst mit frei verkäuflichen Medikamenten wie beispielsweise Ibuprofen können Sie Ihren Hund tödlich vergiften. Die beste Reiseapotheke ist die, die Sie nicht brauchen. Aber die Zweitbeste ist die, in der Sie im Ernstfall mit einem Griff genau das finden, was Sie brauchen. 🐾

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