Die Feuerwehr »Olga« und ihre Bewohner, die beiden Menschen Christin und Philipp und die drei Hunde Mila, Nella und Wenzel sind noch immer unterwegs. Nach unseren Abenteuern in der Ukraine sind wir durch Moldawien, Rumänien und Bulgarien wieder einmal nach Griechenland gereist. Fasziniert hat uns dieses Land zum ersten Mal vor vier Jahren, als wir den Winter hier verbrachten. Der kann neben sonnigen Stunden durchaus auch kühl und verregnet sein, doch er erlaubt einen Blick hinter die Kulissen des Touristenparadieses.
Der kleine Badeort Pefkochori auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki schläft. Vor den allermeisten Fenstern sind die Fensterläden und Jalousien geschlossen. Auf der Strandpromenade könnte man einen apokalyptischen Film drehen. Lediglich eine der vielen Fischtavernen hat geöffnet. Die Sonne scheint auf die wenigen Gäste auf dem Freisitz. Der Horizont ist zwischen strahlend blauem Himmel und glitzernd türkisblauem Meer kaum auszumachen. Auf den Tellern sind die Portionen nun etwas größer und auch etwas liebevoller zubereitet. Die Ruhe der Nebensaison hat einige Vorteile.
Im Sommer strömen die Touristen aus aller Welt täglich zu Tausenden durch die kleinen Gassen. An den Stränden sind die Sonnenschirme aus Palmenblättern sehr begehrt. Nun liegen die Schirme und Stühle gestapelt in den Ecken, selbst die Supermärkte haben für einige Monate ihre Regale leer gefegt. Für die wenigen Einheimischen reicht ein abgespecktes Sortiment.Alkis und Giorgios arbeiten in dieser Zeit sechs Tage die Woche in ihrem Petshop. Sie sitzen vor dem Laden auf dem Gehweg an einem kleinen weißen Plastiktisch, genießen die Sonne und grüßen ab und an eines der wenigen Autos, die hier auf der Hauptstraße vorbeifahren. Jeden Tag gesellt sich eine alte, gebückte Frau zu den beiden. Sie lebt mit ihrem kleinen Hund in einem der verwaisten Hotels im Ort. Im Winter sitzt sie besonders gern mit den beiden Männern vor dem Laden, anstatt allein in ihrer kleinen, kalten Wohnung.
Jede Menge Katzen streunen um den Tisch herum. Auch einige Straßenhunde schauen vorbei. Alkis und Giorgios verkaufen nicht nur Tierfutter, sondern sorgen auch ehrenamtlich dafür, dass die streunenden Katzen und Hunde eingefangen und kastriert werden. Danach lassen sie die Tiere wieder frei und haben weiterhin ein Auge auf ihre Schützlinge. Bezahlt werden die Kastrationen zu einem kleinen Teil aus Spenden, den größeren Teil finanziert die Gemeinde aus staatlichen Geldern, die zur Umsetzung des griechischen Tierschutzgesetzes zur Verfügung gestellt werden. Eine Tötung der Straßenhunde ist in Griechenland nicht legal. Doch wie überall steht und fällt die erfolgreiche Umsetzung des Gesetzestextes mit engagierten Menschen wie diesen beiden Männern.
Chalkidiki im Wohnmobil
Wir stehen auf dem Parkplatz einer kleinen Strandbar und können vom Bett auf die Wellen des Meeres schauen. Auf Chalkidiki gibt es eine Vielzahl an wunderschönen Möglichkeiten, um im Wohnmobil zu übernachten. Im Sommer natürlich zahlreiche Campingplätze, doch die sind außerhalb der Saison, wie die allermeisten Hotels und einige Supermärkte auch, geschlossen. Immer wenn es uns zum Auffüllen unserer Vorräte nach Pefkochori zieht, sitzen auch wir früher oder später mit einer Kaffeetasse in der Hand an diesem weißen Plastiktisch vor dem Petshop. Ab Juni, so erzählt uns Giorgios, kontrolliert die Polizei hier akribisch. In der Hochsaison ist es streng verboten, außerhalb von Campingplätzen zu campen. Außerhalb der Saison werden Wohnmobiltouristen meistens geduldet. Diese Erfahrung haben wir auch gemacht. So trifft man in dieser Zeit häufig auf umgebaute Transporter, klassische Wohnmobile oder sogar ganz normale Pkw, in denen ihre Besitzer auf Strandparkplätzen übernachten. Meistens sind es Deutsche, Franzosen oder Österreicher. Zu uns auf den kleinen Parkplatz an der verlassenen Strandbar stellt sich ein paar Tage ein junges Paar aus der Schweiz.
Den wenigen Touristen, die es auch in der Nebensaison in den Süden zieht, kann man, wenn man Ruhe sucht, an den Stränden und in den vielen kleinen Buchten weiträumig aus dem Weg gehen. Und auch das Hinterland ist ein lohnenswertes Ziel. Einige Tage verbringen wir auf einer Sandpiste, die sich über die Hügelkämme Kassandras zieht. Das Meer ist nie weit entfernt in Griechenland. Von dort oben hat man einen herrlichen Blick darauf, wie das Wasser den ersten Finger der Halbinsel von zwei Seiten umschließt. Bei guter Sicht kann man von hier im Osten den Berg Athos und im Westen den Olymp erkennen. Ein älterer Mann im zerbeulten Pickup fährt erst einige Male an unserer Olga vorbei, bevor er anhält. Er kurbelt sein Fenster runter und erzählt, dass er Theo und Olivenbauer sei, hier gleich hinter der Kurve auf 5.000 Quadratmeter Olivenbäume stehen hätte und dass es dort auch Wasser gibt, falls wir welches benötigen. Ende November beginnt hier die Olivenernte. Am Ende fragt er nach Feuer, doch wir sind beide Nichtraucher und können ihm leider nicht aushelfen.
Heiße Quellen und Thermalbäder
Die Griechen sind überaus freundlich und sehr hilfsbereit. Sie erkennen uns auch ohne Blick auf unser Kennzeichen schnell als Touristen. Während sie schon in ihrer Winterjacke am Ufer stehen und angeln, laufen wir immer noch im T-Shirt durch die Gegend. Wo und wann es nur geht, stürzen wir uns auch ins Wasser und sind dann vollends enttarnt. Es scheint, als gehen die meisten Griechen fast nie im Meer schwimmen. Im Sommer tummeln sich dort zu viele Touristen und sonst ist ihnen das Wasser zu kalt. Wer nach warmen Gewässern sucht, dem seien die heißen Quellen empfohlen, die es an einigen Orten zu finden gibt. Die Infrastruktur an den Quellen ist durchaus variabel. Es gibt sie überdacht und in sogenannten Thermalbädern eingefasst. Natürlich zahlt man dort Eintritt. Es gibt sie aber auch einigermaßen wild und frei zugänglich.
So zum Beispiel in Loutra Eleftheros. An der Stelle, wo man von der Küstenstraße abbiegt, will einem ein Schild weismachen, die Thermalquellen wären wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Wer sich dennoch traut, der landet an dem verschlossenen Tor einer ehemaligen Thermalbadruine, die mittlerweile verfällt, aber erstaunlich aufgeräumt wirkt. An diesem Tor empfängt uns eine sehr freundliche Hündin, womöglich die »Wächterin der Quelle«. Hat man ihre Einlasskontrolle bestanden, gelangt man auf ein weiträumiges Gelände mit großen und kleinen Gebäuden flankiert von einem rauschenden Bach. Ein schmaler, überwucherter Pfad führt zu einem kleinen wassergefüllten Becken, von dessen Oberfläche Dampf aufsteigt. Das Becken bietet Platz für mehrere Personen und das warme Quellwasser läuft unaufhörlich aus einer Spalte des Berges hinein und in den Bach wieder hinaus. Mit Bademänteln und Badelatschen spazieren die Eingeweihten gleich vom Auto über das Gelände zu den heißen Badewannen.
Das Ganze erinnert uns an eine zweite heiße Quelle bei Thermopyles. Auch an dem Ort, an dem einst der Spartaner Leonidas gegen den Perser Xerxes kämpfte, fließt heißes, schwefelhaltiges Wasser aus dem Berg und bahnt sich dann seinen Weg durch ein schmales Flussbett in Richtung Meer. Bevor es dort allerdings angekommen und abgekühlt ist, lässt es einem die fantastische Möglichkeit, zu jeder Tages- und Nachtzeit darin zu baden.
Wer von Loutra Eleftheros im Norden nach Thermopyles in den Süden fährt, der hat die Möglichkeit, einen Zwischenstopp an den Klöstern von Meteora einzulegen. Auf unserem Weg halten wir unterwegs in einer Kleinstadt zum Einkaufen. Während viele Dörfer und Straßen in der Nebensaison eher ruhig wirken, gibt es doch immer wieder kleine, belebte Zentren, in denen man sich trifft, in denen Wochenmärkte stattfinden und sogar einige Geschäfte geöffnet haben.
Einmal betrete ich einen Imbiss. Ich bin der einzige Kunde. Es erscheint ein alter Mann aus einem Hinterraum. Ich versuche mit allerhand Zeichensprache zwei Gyros zu bestellen. Doch wie so oft werde ich enttarnt. Der freundliche Herr spricht mich sofort auf Deutsch an. Es stellt sich heraus, dass er zwar nur wenige deutsche Vokabeln beherrscht, doch an diesem Tag reicht sein Können aus. In vielen Geschäften sieht man die ältere Bevölkerung noch arbeiten. Durch die hohe Arbeitslosenquote seit der Finanzkrise müssen von den niedrigen Renten oftmals ganze Familien ernährt werden. Mit zwei bis zum Bersten gefüllten Gyrospaketen verlasse ich den Laden.
Straßenhunde gehören zum griechischen Stadtbild dazu
Wir haben auf unseren Reisen in vielen Ländern Hunde und Katzen auf der Straße erlebt. Nirgendwo kamen sie uns so entspannt vor wie hier. Viele Griechen haben durchaus ein herzliches Verhältnis zu »ihren« Straßenhunden. Ein großer weißer Streuner sonnt sich auf den Stufen vor der Bäckerei. Er würdigt die ein- und ausgehenden Kunden mit keinem Blick, bis ein Roller parkt. Kurz zuckt das Ohr, dann rollt sich der schwere Hund auf den Rücken. Der Rollerfahrer ist nun bei ihm angekommen und krault ihm mit der Fußspitze den Bauch. Eindeutig ein eingespieltes Ritual.
In der nächsten Kleinstadt warten drei große, dunkle Hunde an der Bushaltestelle. Als der Schulbus einige Schüler ausspuckt, tänzeln die drei Streuner um einen Jungen herum, der ihnen die Köpfe tätschelt und folgen ihm schwanzwedelnd über den Bürgersteig. Einen Polizisten, der mit einem Junghund spielt, spreche ich an und frage, ob ihm der Hund gehört. Er antwortet mit einem Lächeln: Nein, der Hund gehöre allen, der ganzen Gemeinde, er sei das Maskottchen.
Wir essen in einer kleinen Taverne. Auf dem Freisitz des Lokals haben sich mehrere gut genährte Hunde und Katzen versammelt, von den Gästen bekommen sie hin und wieder einige Brocken zugeworfen. Die Tiere scheinen sich blendend zu verstehen. Unsere Verwunderung teilen die Griechen nicht. Die Redewendung »wie Hund und Katze« für zwei, die sich nicht vertragen, kennt die griechische Sprache nicht, erklären sie uns.
Die Hirtenhunde …
Als wir in Kalambaka ankommen, können wir die Meteora-Klöster schon auf ihren Sandsteintürmen thronen sehen. Unser Platz für die Nacht ist eine kleine Wiese neben einem geschlossenen Campingplatz. Ganz in der Nähe kann man die kleinen Glocken einer Schaf- und Ziegenherde hören. Wenn die Herde abends in den Stall geführt worden ist, finden die Hirtenhunde ihren Weg zu uns und umlagern unser Auto. Freundlich wedelnd fragen sie unaufdringlich, ob vielleicht eine Kleinigkeit für sie abfällt. Und sagen wir es mal so, sie mussten nicht mit leerem Magen wieder gehen. Vermutlich war das Futter besser als auf ihrem Hof, denn während wir mit unseren Hunden einen Spaziergang machen, wachen die Hirtenhunde weiter über unser Auto und unsere Hundefuttervorräte.
Bei Sonnenaufgang, wenn Kalambaka am Fuße der Berge noch im Nebel versunken ist, kann man manchmal die Klöster von Meteora schon durch die Wolkendecke erkennen. In einigen leben Mönche, in anderen Nonnen und die meisten sind für Besucher geöffnet. Die Klöster sind eine imponierende Leistung der damaligen Baumeister in einer gigantischen Landschaft.
In Kalambaka halten wir vor der Weiterfahrt noch an einer Autowerkstatt, die uns empfohlen wurde. Der Inhaber Kosta ist in den 70ern als kleiner Junge mit seinen Eltern nach Deutschland ausgewandert, hat dort später in Stuttgart bei Mercedes eine Lehre absolviert und ist vor einigen Jahren wieder in seine erste Heimat zurückgekehrt. An unserer fast fünfzig Jahre alten Feuerwehr ist der Anlasser defekt und Kosta treibt im Handumdrehen ein passendes Ersatzteil auf. Während unser Auto über dem Werkstattschacht steht und die Mechaniker im Fahrerraum hantieren, dösen unsere Hunde im hinteren Fahrzeugteil auf dem Bett. Wir verbringen zwei Stunden bei Kosta, der während der Reparaturen an unserer »Olga« eine Menge zu erzählen hat. Deutschland sei ihm zu kalt, zu nass. Das Leben sei in Griechenland besser. Man sei hier nicht reich, aber es sei wenigstens wärmer und gemütlicher. Hier meckere keiner, wenn der Fußweg mal nicht ordentlich gefegt sei. Zur großen Politik hätte Kosta auch eine Meinung, doch da schnurrt der Feuerwehrmotor wieder, wir bedanken uns und rollen zurück über den sauber gefegten Hof mit den ordentlich gestutzten Hecken auf die Straße. Im Rückspiegel werfen wir einen letzten Blick auf die Klöster und brausen weiter.
Bei der unfassbar großen Zahl an historischen Stätten in Griechenland kommen wir uns manchmal fast ein bisschen wie Banausen vor, wenn wir sie so oft links liegen lassen. Dabei sind ganz viele davon kostenfrei besuchbar. Bei Olympiada haben wir nicht bedacht, dass die meisten dieser Stätten dienstags geschlossen sind. Also übernachten wir vor den Toren der antiken Stadt Stageira, in der 384 v. Chr. der Philosoph und Universalgelehrte Aristoteles geboren wurde. Am nächsten Morgen haben wir die komplette Anlage für uns allein und spazieren mit unseren Hunden über die ehemalige Agora und die imposante Akropolis.
In Delphi besuchen wir den Tempel des Apollo und dessen viel zitierte Inschrift »Erkenne dich selbst«. Und in Epidauros bestaunen wir die famose Akustik des einstigen Amphitheaters. Anlass dazu gibt uns eine französische Familie, die ebenfalls mit dem Wohnmobil reist. Während wir uns auf den oberen Rängen ausruhten, singen sie unten im Mittelpunkt der Bühne einige Chansons, deren Worte und Melodien deutlich bis an unsere Ohren dringen.
Auf unserer Rundreise über die Halbinsel Peloponnes gibt es derartig viel zu entdecken, dass manchmal die Tage nicht lang genug scheinen. Es lohnt sich, nicht nur die bekannten Sehenswürdigkeiten anzusteuern, sondern auch die Einheimischen nach ihren Lieblingsplätzen zu fragen. So erfahren wir vom Strofilia-Wald südlich von Patras. Zwischen den schwungvoll gebogenen Stämmen der Pinien und Kiefern kommen wir uns als Wanderer in diesem Naturschutzgebiet ziemlich klein und ganz unerwartet wie im Dschungel vor. Einige Kilometer weiter landen wir am Voidokilia Strand, der auch Ochsenbauchbucht genannt wird. Dort beobachten wir zum ersten Mal wild lebende Flamingos. Über dem Strand erklimmen wir eine alte Festungsruine und unter der Ruine ist eine große Höhle frei zugänglich. Von dort oben hat man einen umfassenden Blick auf die Bucht, die in ihrer Form so makellos und fast schon unnatürlich anmutet. Und als ob das alles nicht genug für einen ganzen Tag wäre, fahren wir noch weiter zu den Kalamaris-Wasserfällen. In der Dämmerung klettern wir mit unseren Hunden über die Felsen und über die kleinen Stege, die kreuz und quer über den wilden Bach gelegt sind. Am Abend liegen dann alle prall gefüllt mit den Eindrücken des Tages im Bett und von Weitem ist immer noch das Rauschen des Wassers zu hören. Oder vielleicht rauscht es dann auch schon in unseren Träumen. Griechenland lädt zum Träumen ein. 🐾
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