In dieser neuen Rubrik »Punktlandungen« stellen wir Ihnen Lieblingsorte oder auch hundefreundliche Stellplätze sowie Campingplätze vor. In der ersten Punktlandung geht es um einen Besuch in Weimar und Dessau.
Im Zuge einer notwendigen Erledigung verschlägt es uns doch tatsächlich in den Osten der Republik. Also nicht, dass das nicht schon längst mal hätte sein müssen, aber ungeplant steht es dennoch ad hoc plötzlich an, und wir so als total Unerfahrene, was Reisen in Ostdeutschland angeht, sind unterwegs nach Weimar und erreichen dort am Mittag den sehr zentral gelegenen, weitläufigen Stellplatz, der im hinteren Teil eines großen Parkplatzes auf dem Hermann-Brill-Platz liegt. Wie oft üblich im eher städtischen Bereich, lässt dieser Fleck hier etwas die Beschaulichkeit vermissen, punktet aber gnadenlos mit absolut zentraler Lage und bietet sich für eine Stadtbesichtigung perfekt an, besser geht es nicht, auch weil wir nur für eine Nacht planen und unser Besuch hier in der Residenzstadt Weimar in der Mitte Europas nur sehr kurz ausfallen wird.
Die Schöngeister und wir …
Da haben wir schon etwas gemeinsam mit all den »Schöngeistern«, den Musikern, Dichtern und Denkern, deren Schaffen und Wirken man hier auf Schritt und Tritt begegnet. Denn auch für sie sollte es ursprünglich nur ein kurzer Aufenthalt in Weimar, dieser Kleinstadt am Flüsschen Ilm, sein, und plötzlich vergingen darüber Jahrzehnte. Sie erlagen dem Charme der einladenden Plätze, der weitläufigen Parkanlagen, der Museen und Schlösser und verwinkelten Gassen und schufen so das Zentrum deutscher Kulturgeschichte.
So angesagt es früher gewesen sein mag, so interessant es bis heute geblieben ist: Hier und heute bleibt uns nur Zeit für eine kurze Runde um die Ecken, einen kleinen Eindruck wollen wir gewinnen. Sehr praktisch ist es daher wieder einmal, dass Bazou und Chianga – unsere beiden Rhodesian Ridgebacks – sich frag- und klaglos in die Fahrradanhänger verfrachten lassen und uns damit einen erheblich größeren Radius ermöglichen. Außerdem gehen wir gesichert davon aus, dass auch sie im gewissen Rahmen an Kunst interessiert sind, spätestens nach dem Anblick des imposanten, bronzenen Doppelstandbilds der beiden Dichter Goethe und Schiller auf dem Theaterplatz vor dem Deutschen Nationaltheater.
Unsere Spurensuche auf Rädern im schönen geschichtsträchtigen Städtchen Weimar führt uns an wunderschönen Hausfassaden und denkwürdigen Gebäuden vorbei. Wir genießen die entspannte Stimmung um uns herum. Ein wenig steht die Zeit still, wenn man dem Hufgeklapper und dem Knarren und Rattern der Kutschenräder auf dem holprigen Pflaster lauscht. Diese Art von Andacht überfällt unsere kleine Chianga allerdings nicht immer. Da nutzt auch der »Rückzugsort Anhänger« nichts. Aber bisher konnten wir nicht klären, warum manche Pferde bei ihr einen Bellanfall auslösen und andere wiederum nicht. Hier geht es jedenfalls noch mal gut. Die Gnädige lässt unverbellt passieren. Wir müssen uns weder bei Pferden noch beim Kutscher oder Passanten entschuldigen für den Schreck, der dann meist durch alle Glieder fährt und sehr vorwurfsvolle Blicke in unsere Richtung auslöst.
Kein Weg führt vorbei
Unterstützend hilfreich beim Ruhe-Bewahren mag sich bei Chianga aber auch die stark mit ganz besonders leckerer, würziger Note angereicherte Luft um uns herum auswirken: Thüringer Rostbratwurst – auf 12 Uhr! Selbst wenn man wollte, selbst wenn man unter keinen Umständen dürfte / sollte … Entziehen zwecklos. Mit schlafwandlerischer Sicherheit und immer der Nase nach wandern zunächst wir Richtung Bude und dann dicke fette Rostbratwürste mit Senf im Schutze knuspriger Brötchen in unsere gefräßigen Rachen und wie üblich, der letzte Bissen in die sabbernden Schlunde der Hunde. Sie haben es sich verdient, so brav mit uns auf Kultur-Tour, da darf dann schon mal ein Zipfel für sie abfallen.
Aber sie sind sowieso nun mal an der Reihe, Zeit und Raum zum Flitzen gilt es zu finden. An diesem Teil des Ilm-Radweges am Rande der Weimarer Altstadt liegen weitläufige gepflegte Parkanlagen mit besonderer Gartenarchitektur, wunderschönen Brücken über die Ilm und wertvollem Baumbestand. Goethe war im 18. Jahrhundert maßgeblich an der Errichtung beteiligt, und seither wurde der fast 50 Hektar große Landschaftspark, der zum UNESCO-Welterbe gehört, kaum verändert. Auch per Rad lässt es sich in diesem einzigartigen »begehbaren Kunstwerk« herrlich lustwandeln, und die Hunde können sich in einem abgelegeneren Teil ausgiebig daran erfreuen.
Inmitten liegt Goethes Gartenhaus, das er seit seiner Ankunft in Weimar im Jahr 1776 als Wohn- und Arbeitsstätte nutzte, bevor er Jahre darauf in ein Haus in der Stadt umzog. Man sagt, er hielt sich immer sehr gerne hier auf, und mit diesen Gedanken schlendern wir nachdenklich durch seinen Garten in aller Ruhe. Wir können uns Zeit lassen, da er offensichtlich gerade nicht zu Hause ist. Ja, solch ein Gefühl überkommt einen so leicht wie unerlaubt, in Intimität eines anderen herum schnüffelnd. Sein das Gartenhaus umschwebender Geist wird uns wohl nicht verfluchen.
Mit den Eindrücken, die dieses lauschige, heimelige Eckchen hinterlässt, und einem farbenfrohen leckeren Drink klingt dieser schöne Tag aus und stimmt sehr versöhnlich, auch was eben den leicht unpersönlichen Charakter des Stellplatzes anbelangt.
Weiter nach Dessau
Der Weimar-Besuch hätte ohne Weiteres – auch hundefreundlich – sehr viel weiter ausgedehnt werden können. Etliche Radwege führen an unzähligen Sehenswürdigkeiten in dieser bedeutsamen Gegend vorbei, manche Entdeckung hätte gelockt, aber unsere Weiterreise steht an. Nach knapp 200 km rollen wir im Schritttempo über ein schmales bewaldetes Sträßchen in Richtung eines Flussufers, nachdem wir Dessau durchfahren und telefonisch mit dem sehr zuvorkommenden Hafenmeister im Yachthafen Roßlau eine Stellmöglichkeit für uns und unser Wohnmobil abgesprochen haben. Blitzartig, schon während der Anfahrt, packt uns mit voller Breitseite diese eigentümliche Beschaulichkeit, dieses Ursprüngliche, leicht in die Jahre gekommene Idyll mit ostdeutsch-morbidem Charme. Mit einem zweifelnd fragenden »Ob-das-denn-wohl-hier-richtig-sein-kann« im Blick leuchtet uns auch schon ein Eisentor entgegen. »Dessau«, da wo‘s draufsteht, muss es ja nun auch drin sein – und wir gleich mit.
Auch in »Echt-Mensch« ist der Hafenmeister ausgesprochen freundlich, bemüht und hilfsbereit. Hier direkt am Elbe-Radweg auf dem grasbewachsenen Wall mit Blick auf den Leopoldshafen am schmalen Nebenarm der Elbe finden wir ein romantisches Plätzchen zwischen Booten, Trailern und allen möglichen geordnet stehenden Yachthafengerätschaften. Hier in Roßlau wird bis heute die große Tradition der Flussschifffahrt und des Schiffsbaus gelebt. Auf dem Wasser schaukeln einige Boote und Schiffe, Vögel zwitschern, ein laues Lüftchen zieht durch die Baumkronen, der Fahnenmast summt vor sich hin, komponiert immer wieder neue Melodien, ein richtiges Idyll. Manchmal weiß man doch irgendwie direkt zu Beginn, dass es passt, einfach passt, da, wo man gelandet ist, dass die Hunde sich wohlfühlen werden und man zusammen viel Freude und eine stressfreie Zeit haben wird. Mit Bierchen und Nüsschen hängen wir am Ufer in der Sonne herum, strecken die Beine aus, Bazou und Chianga rekeln sich auf ihren Deckchen, endlich keine Fahrerei. Wir genießen die Stille und den Stillstand der Zeit.
Entspannte Gelassenheit
Irgendwann lockt ein Spaziergang durch die urwüchsige, schöne Flusslandschaft am Elbufer. Einfach fantastisch ist schon allein dieser kurze Einblick in das Biosphärenreservat »Mittelelbe« mit seinen vielgestaltigen Auenlandschaften. Hier in Dessau und Umgebung soll der vielleicht schönste und vielfältigste Teil liegen. Stille Seen und Flutrinnen, Binnendünen und Feuchtwiesen, mächtige Eichen und weite Wiesen prägen die europaweit einzigartige Landschaft und sind Heimat seltener Tier- und Pflanzenarten. Auf Rad- und Wanderwegen lassen sich die Ergebnisse jahrzehntelanger Naturschutzarbeit hautnah erleben. Die Nachmittagssonne scheint, taucht die Landschaft schon sanft in leichtes Abendlicht. Zwischen unverbauten Ufern schwingt sich die Elbe in weiten Mäandern durch die Auenwälder. Endlos können die Hunde mit Blick auf das Wasser sausen, Gräser rascheln, manchmal sind Bazou und Chianga total verschwunden darin. Eine entspannte Gelassenheit macht sich breit, große Zufriedenheit, alles im Fluss, leise und wohltuend unspektakulär.
Auf einer großen Wiese stoßen wir auf weitere Hundefreunde und sogar einen Ridgeback. Das trifft sich ja gut. Und es bedeutet noch mal richtig mit der ganzen Meute aufdrehen und Gas geben auf der weiten Wiesenfläche. Da laufen Frauchen- und Herrchenherzen einfach nur noch über.
Auf dem Rückweg erklimmen wir noch den zufällig entdeckten Turm-Rest der Wallwitzburg und genießen die tolle Aussicht. Die Wallwitzburg wurde im 18. Jahrhundert als Miniaturburg errichtet. Interessant ist, dass es sich dabei um eine sogenannte »künstliche Ruine« handelt. Mit solchen Ruinen schmückte man damals zunächst englische Landschaftsgärten, später auch einfach die offene Landschaft. Sinn und Zweck war die Hoffnung, dass diese Elemente stimmungssteigernd wirken und Gefühle von Erhabenheit und Einsamkeit erzeugen sollten. Aber vor allem sollten sie an die Vergänglichkeit des Menschen und seiner Werke erinnern. Nun ja, sie bereichern das Weltkulturerbe, und durch die Erklärung des Sinns wird dieses so seltsam ohne Zusammenhang im Wäldchen stehende Türmchen für uns schlüssig und wirklich interessant und beachtenswert.
Am nächsten Tag ist wieder Radeln angesagt. Vorbei am »Kornhaus« mit wunderschönem Blick auf die Elbe geht es mit den Hunden in den Anhängern in Richtung »Bauhaus«. Wir wollen erfahren, wie die »Meisterhäuser« auf uns wirken, was die Spuren von Gropius, Klee und Kandinsky in uns auslösen. Ob wir die Musik der von Kandinsky in seinen Werken gewählten Farben noch hören können, eine wohl höchst einmalige Gabe, die dem Meister nachgesagt wird.
Zunächst einmal lösen die Gebäude und Gärten Staunen aus. Es ist sehr beeindruckend, durch die Gartenanlagen zwischen den Häusern und natürlich im Inneren der Häuser durch die Räumlichkeiten zu streifen, die erstaunlichen architektonischen Sprünge zu verfolgen, bewusst zu sehen, welch neuzeitliche, moderne Ideen mit großer Leidenschaft damals verwirklicht wurden. Wir Banausen hören allerdings so direkt keine Musik der Farben, Kandinsky scheint sie mitgenommen zu haben. Und damit niemand unsere draußen in den Anhängern »geparkten« Hunde mitnimmt, erledigen wir solche Exkursionen immer im Schichtbetrieb: einer wacht, einer guckt – und umgekehrt.
Das Staunen hat uns auch bei der Weiterfahrt durch Dessau, das nun wirklich kein Kleinod ist, fest im Griff. Welch ein krasser Gegensatz: Dort der spürbare Geist und der kluge, von brennender Leidenschaft getriebene Verstand der sicher exzentrischen, schaffensfreudigen Pioniere, die durchdachten Häuser, die so viel Freiheit atmen lassen, diese Ordnung in den gepflanzten Gehölzen – und dann da vor unseligen Plattenbauten die Gruppen grölender, in schwarze Lederfetzen gekleideter, punkiger und gepiercter Gestalten, von denen man aufgrund ihres Auftretens annehmen muss, sie hätten Hirn und Seele abgeben müssen.
Aber fehlt uns nur das Verständnis? Sind sie vielleicht nicht auch nur einfach anders, so anders wie damals Gropius, Klee und Kandinsky? Es lohnt sich, so beschließe ich, beim Weiterradeln darüber nachzudenken, gelange aber schlussendlich nicht zu der Überzeugung, dass dieses lederne, dunkle, zum Teil auf uns wirklich provokativ-bedrohlich wirkende Anders-Sein es schaffen kann, positiv bedeutsam eine Epoche bereichernd zu prägen.
Obwohl wir eigentlich genug Schwarz gesehen haben, mundet dennoch etwas Schwarzes im Glas, ein Schwarzbierchen auf dem sonnenbeschienenen Platz im Zentrum. Es rundet den Tag ab, der reich an Denkanstößen und arm an Flüssigkeit war – und für die Hunde dank Elbwiesen und Wäldern trotz Besichtigungsprogramm und Fahrradanhängerzeit perfekt war … so perfekt, dass eine Fortsetzung unter Punkt »irgendwann wieder« in unserer Reiseplanungsliste vermerkt wird. 🐾
Interessante Links
Dessau
https://verwaltung.dessau-rosslau.de/kultur-tourismus.htmlBiosphärenreservat Mittelelbe
www.mittelelbe.com/mittelelbe/front_content.phpElberadweg
www.elberadweg.de/Abschnitt/j/Wallwitzburg
www.elberadweg.de/Poi/wallwitzburg/Bauhaus
www.bauhaus-dessau.de/de/geschichte/bauhausdessau.htmlWeimar
www.weimar.de/tourismus/
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