Heft 3/22, Ländertipp, Premium

Abenteuer Rumänien

Entdeckungstour durch ein noch recht unbekanntes Land

Auf ihren Reisen durch Osteuropa erkunden Christin und Philipp Harre seit 2014 regelmäßig Rumänien. Ob mit zwei Hunden im PKW, im Wohnmobil oder mit vier Hunden im umgebauten Oldtimer – das faszinierende Land zwischen Ungarn und dem Schwarzen Meer hat eine Menge zu bieten.

Noch gehört Rumänien zu den Geheimtipps in Europa. Freistehen erlaubt, keine Einschränkungen für Urlauber mit Hunden, günstige Preise und gastfreundliche Menschen – klingt das nicht verlockend? In den letzten Jahren steigt das Interesse der Wohnmobilisten merklich. Längst reisen nicht mehr nur Abenteurer ostwärts. Als wir 2014 zum ersten Mal in die Karpaten fuhren, waren wir noch sehr spartanisch und undercover unterwegs. Geschlossener Hochdachkombi, Rückbank raus, Matratze und Hund rein, ab ging es. Wir packten zur Sicherheit zwei Flaschen Cognac unter die Regenjacke, damit hofften wir korrupte Grenzbeamte milde stimmen zu können. Und machten uns auf alles gefasst. Nach vier ereignisreichen Reisewochen kamen wir mit unseren unangetasteten Cognacflaschen zurück nach Deutschland. Keine unserer Befürchtungen ist eingetroffen, aber Rumänien hat uns in seinen Bann gezogen und seit dem nicht mehr losgelassen.

Neben beeindruckender Natur erleben wir kaum vorstellbare Armut, neben pompösen Kirchen und Klöstern ziehen Pferde Wagen mit Metallschrott, neben dem Porsche schlafen drei Straßenhunde und neben der neuen Autobahn versinken Dörfer im Schlamm, wenn es regnet. Wer den Zauber Rumäniens erleben will, muss Widersprüchliches ertragen lernen, sich darauf einlassen, nicht wegsehen. Nur Korruption haben wir während keinem der bisher zehn Rumänienaufenthalte erlebt. Beobachtet haben wir allerdings die rasante Entwicklung dieses Landes. Die erste Autobahn des Landes, die A1, war größtenteils noch im Bau, weshalb wir uns die schmalen Landstraßen mit Unmengen an LKWs teilten. Mittlerweile gibt es mehrere gut ausgebaute Autobahnen und auch die kleinen Nebenstrecken sind in einem akzeptablen Zustand.

Neu und ungewohnt waren für uns die vielen Tiere auf den Straßen. Kühe, die vom rechten Grünstreifen auf den linken wechseln und einen empört anstarren, wenn man plötzlich um die Kurve kommt. Pferde, die entweder frei in Wald und Flur auftauchen oder als Zugtier vor Kutschen gespannt sind. Dazu Hühner, die aus den Hoftoren flattern und auf den Gehsteigen herumpicken. Dazwischen sind immer auch Hunde unterwegs. Manche sind vielleicht herrenlose Straßenhunde, viele haben jedoch ein Zuhause, auch wenn das Hoftor den ganzen Tag offen steht.

Die Rumänen sind, anders als Sie es vielleicht erwarten, durchaus tierlieb. Mit unseren gut erzogenen Hunden waren wir überall gern gesehen. Trotzdem kam in Gesprächen immer wieder der Wunsch nach einem Rumänien ohne Streuner auf. »Tolle Hunde habt ihr, wollt ihr die, die hier alle herumstreifen, nicht auch noch mitnehmen?« wurden wir oft gefragt. Während unserer ersten Reisen begegneten uns noch deutlich mehr Hunde an Raststätten, auf Marktplätzen, selbst in den Bergen Transsilvaniens oder zwischen den Feldern der Walachei. Alle konnten wir natürlich nicht mitnehmen, aber drei rumänische Hunde bereichern mittlerweile unser Leben. Zudem haben wir verschiedene Tierschutzprojekte vor Ort kennengelernt und konnten über die Jahre beobachten, wie sich die Zahl der freilaufenden Hunde deutlich verringert hat. Rumänien wird für Reisende immer attraktiver. Schwarzmeerküste, Donaudelta, Siebenbürgen und Transsilvanien – für jeden etwas dabei und immer mehr kleine private Campingplätze werden eröffnet. Noch hat man als Camper die Wahl, ob man diese nutzen möchte oder sich lieber einen Platz zum Freistehen sucht. Das Wildcampen und übernachten im Wohnmobil ist in Rumänien offiziell erlaubt und nur in Naturschutzgebieten auf ausgewiesene Plätze beschränkt. Besonders geeignet sind dafür die Karpaten mit ihren rauen Gipfeln und den endlosen Wäldern. Wir fuhren beispielsweise in den letzten Jahren mehrfach von Sebeş (Mühlbach) die kurvige Straße südwärts in die Berge hinauf. Anfangs folgt man noch einer moderaten Steigung und kommt an mehreren Stauseen vorbei. Einen Übernachtungsplatz findet man hier überall entlang der Strecke.

Am Oasa-Stausee standen wir nahe der Staumauer auf einer Brachfläche. Täglich kam ein Hirte mit seiner Herde vorbei, sonst waren wir allein. Der See ist komplett von Nadelwäldern umgeben, die bis ans Ufer reichen. Als wir baden wollten, mussten wir uns einen Weg durch das Dickicht suchen. »Klein Kanada« nannten wir diesen Ort. Wir sind zwar noch nie in Kanada gewesen, doch genau so stellen wir es uns vor. Am nächsten Morgen weckte uns ein Trommeln, das über die Baumwipfel von einem nahe gelegenen Kloster zu uns schallte. Das allmorgendliche Ritual einiger orthodoxer Klöster in Rumänien. Danach folgt Glockengeläut. Die Straße am See ist bereits Teil der Transalpina Hochstraße, die von Sebeş im Norden über die Südkarpaten bis nach Novaci im Süden führt. Ihren höchsten Punkt erreicht man auf 2.132 Höhenmetern. Mit unserer 50 Jahre alten Oldtimerfeuerwehr waren die ziemlich engen Serpentinen eine große Herausforderung. In so mancher steilen Kurve überlegten wir, ob es eine gute Idee gewesen war, dort hinauf zu wollen. Doch wir haben es geschafft und beim Anblick einiger rumänischer Fahrzeuge kam uns unsere Sorge sogar übertrieben vor. In luftiger Höhe übernachteten wir mehrere Nächte und genossen den Rundumblick von ganz oben über die Bergkämme.

Leider war es uns bisher nicht gegönnt, einen Bären in freier Natur zu erleben. Zu bestimmten Jahreszeiten ist dies in den Karpaten durchaus möglich, wenn die wilden Tiere auf Nahrungssuche herumstreifen und dann schon mal die Straßen queren. Auch Wölfe, Luchse und Steinböcke leben in Rumäniens Wildnis. Einmal waren wir in den nördlichen Karpaten und übernachteten in einem engen Tal. Am nächsten Morgen fiel mir beim Zähneputzen eine frische Spur im aufgeweichten Erdboden neben unserem Auto auf. Nach genauerem Hinsehen war klar, dass es sich um den Abdruck einer Bärentatze handelte. Da hatte uns wohl in der vorangegangenen Nacht Meister Petz einen Besuch abgestattet.

Nicht ganz so hoch wie die Transalpina aber mindestens so beeindruckend ist die Transfogarascher Passstraße, auch Transfagaraşan genannt. Die bis auf 2042 Höhenmeter führende Straße ist allerdings nur vier Monate im Jahr passierbar, von Anfang Juli bis Ende Oktober, denn an der Nordwand der Karpaten herrscht ein raues Klima. Es lohnt sich, diesen Pass in die Reisestrecke einzuplanen, der Ausblick ist wirklich spektakulär. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man noch so abgeschieden unterwegs sein kann in Rumänien – man ist trotzdem nie ganz allein. So begegnen einem häufig in den rumänischen Wäldern Einheimische, die Pilze, Beeren oder Kräuter sammeln, um diese dann am Straßenrand zu verkaufen. Auch Obst, Gemüse und regionale Spezialitäten werden so feilgeboten und es lohnt sich anzuhalten und sich mit Köstlichkeiten einzudecken.

Karpatentour

Wer die kurvigen Passstraßen umgehen möchte, kann zum Beispiel auch bis Braşov (Kronstadt) fahren und danach in südlicher Richtung zu einer Karpatentour starten. In Zarneşti, dem Tor zum Piatra Craiului Nationalpark, waren wir 2017. Der Ort ist der leicht zu erreichende Ausgangspunkt für vielfältige Unternehmungen. Obwohl ein Nationalpark, ist es erlaubt, auf einer im Wald ausgewiesenen Picknickstelle zu zelten oder im Wohnmobil zu übernachten. Kletterer können an den steilen Wänden einer Schlucht emporkraxeln. Wanderern bieten sich mehrere ausgeschilderte Routen unterschiedlicher Länge und Schwierigkeitsgrade. Der höchste Gipfel ist der Varful La Om (Hirtenspitze) mit 2.238 Höhenmetern. Unsere Tagestouren haben uns immer nur bis knapp unterhalb des Gipfels geführt. In Zarnesti besuchten wir außerdem das Libearty Bärenreservat für Bären, die ehemals in Gefangenschaft als Tanz- oder Zirkusbären gehalten wurden. Das weitläufige, naturnahe Gelände kann ausschließlich im Rahmen einer Führung besichtigt werden. In unserer Besuchergruppe befand sich zufällig eine deutsche Reisegruppe. Als sie auf dem Parkplatz unsere Oldtimerfeuerwehr bemerkten, konnten sie es kaum glauben, dass wir damit aus Deutschland bis in die Karpaten gefahren sind. Für uns ging es weiter nach Bran. Vor allem zog es uns zu einem Langos-
verkäufer. Doch nicht nur für Liebhaber der rumänischen Küche, sondern auch für alle Fans des Gruselklassikers Dracula, lohnt sich ein Ausflug in das nahegelegene Dorf Bran. Denn dort soll der Graf einst in einem Schloss gelebt haben, welches heute besichtigt werden kann.

Die Karpaten ziehen sich hufeisenförmig durch Rumänien und umschließen die Region Siebenbürgen in ihrer Mitte. Neben Braşov gilt die Stadt Sibiu (Hermannstadt) als Zentrum der Siebenbürger Sachsen. Die Region setzt sich multiethnisch aus Rumänen, Ungarn, Deutschen aber auch Slowaken, Ukrainern und Serben zusammen. Ortsnamen und Straßennamen sind oftmals auch in deutscher Sprache ausgeschildert. Es gibt deutschsprachige Tageszeitungen, Schulen und Buchhandlungen. Für uns, die wir aus Mitteldeutschland kommen, wirkte die Altstadt Sibius auf den ersten Blick wie das Zentrum einer Kleinstadt in Thüringen. Fachwerkbauten, gepflasterte Marktplätze, Torbögen und kleine Kirchen. Die Nacht verbrachten wir etwas außerhalb der Stadt zwischen Wiesen und Wäldern. Eine Gegend, die mit ihren sanften Hügeln und den sandigen Wegen an Tolkiens Auenland erinnert. Der ältere Herr mit dem Hut, der mit seinem Eselskarren dahergerumpelt kommt, könnte auch Gandalf der Zauberer sein. Bezaubernd sind auch die kleinen Kirchenburgen, von denen es in Siebenbürgen etwa noch 150 Stück gibt. Sieben davon gehören mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe. In Sighişoara (Schäßburg) parken wir in der Altstadt und steigen die Treppen zur Burg hinauf. Umgeben von dicken Mauern steht dort die Schäßburger Bergkirche. Direkt daneben findet man im Schatten hoher Bäume noch einen alten deutschen Friedhof. Als wir wieder absteigen, lesen wir an einer Hauswand den Straßennamen und müssen schmunzeln. Wir befanden uns auf dem »Umweg«.

Es mutet skurril an, in Rumänien durch Straßen und Orte mit deutschen Namen zu laufen, wo einem Menschen begegnen, die sich ebenso in deutscher Sprache unterhalten und ihre neuesten Nachrichten aus einer deutschsprachigen Tageszeitung lesen. Noch skurriler ist nur die Verehrung ihres letzten deutschen Königs, der erst 1947 von den Sowjets zur Abdankung gezwungen wurde. Noch heute findet man an den Wänden der Wohnzimmer einiger Rumänen Bildnisse des Hohenzollern Michael I., der als Carol II. einst Staatsoberhaupt war. Auch uns wurden bei einer Einladung zum Essen stolz die gerahmten Fotografien des Monarchen präsentiert. Empfohlen wird jedem Touristen in diesem Zusammenhang mit Sicherheit auch das Schloss Peleş bei Sinaia, das im 19. Jahrhundert für Carol I. erbaut wurde.

Nach den hohen Karpatengipfeln und den sanften Siebenbürger Hügeln lohnt sich die Weiterfahrt an die Schwarzmeerküste. Das Donaudelta ist ein Paradies für Naturliebhaber und wir haben es im Herbst erkundet. Das hat den großen Vorteil, dass deutlich weniger Moskitos unterwegs sind, allerdings den Nachteil, dass auch weniger Seerosen blühen. Wir hofften aber auf Pelikane und machten uns in Murighiol auf die Suche nach einer geführten Bootstour. Zwischen den üblichen flachen rumänischen Häusern fanden wir den Neubau der Touristeninformation. Die freundliche Angestellte vermittelte uns für den nächsten Tag die letzten beiden Plätze auf einem Boot. Am nächsten Morgen war allerdings doch kein Platz mehr frei und das Boot legte ohne uns ab. Doch weil die rumänische Gastfreundschaft enorm ist und zwei zahlende Touristen in der Nachsaison nicht stehen gelassen werden können, organisierte der Betreiber spontan ein kleines Boot und einen Bootsführer für uns zwei ganz allein. Der junge Mann sprach kein Englisch und konnte uns so wenig erklären. Doch was wir sahen, reichte uns völlig. Eine bunte Tier- und Pflanzenwelt, Angler, Häuser auf Stelzen und zum Glück auch viele Pelikane. Nur einmal deutete unser Kapitän auf eine verfallene Villa am Ufer und sagte das einzige Wort an diesem Vormittag: »Ceaușescu«. Ein Name aus finsterer Vergangenheit, der auch uns bekannt ist. Die Villa gehörte einst dem Diktator. Die folgende Nacht verbrachten wir an einem kleinen See. Auf Schildern stand, dass man zum Angeln auf diesem Privatgelände eine kostenpflichtige Genehmigung bräuchte. In der Dämmerung kam ein Pickup, parkte neben uns und die Männer fragten, ob wir etwa im See angeln würden. Wir verneinten und sie wünschten uns beruhigt eine gute Nacht. Die Rumänen sind uns stets als gastfreundliche Menschen begegnet, die ihre Natur lieben. Es zählt zu den Lieblingsfreizeitaktivitäten der Rumänen ins Grüne zu fahren, ein Picknick zu veranstalten und dabei viel Fleisch über einem offenen Lagerfeuer zuzubereiten. Als wir einmal in der Nähe von Campulung an einem unserer Lieblingsplätze standen, kam ein Mann mehrfach mit seinem Jeep vorbei und winkte uns auffällig zu. Wir winkten freundlich zurück, daraufhin bot er uns an, mit ihm zu fahren und bei ihm zu Hause mit seiner Familie zu essen. Ein anderes Mal besuchten wir Rumänien im Oktober, hatten dafür ein kleines Ferienhaus gemietet und als wir ankamen, hatte die Großmutter der Familie bereits die Kachelöfen für uns angeheizt und uns Sarmale, die landestypischen Kohlrouladen, zubereitet.

Die rumänische Schwarzmeerküste ist nicht lang und daher meist dicht besiedelt. Die größte Stadt an der Küste ist Constanţa. Dort und in den Städten Mamaia und Mangalia boomt der Strandtourismus. Riesige Hotelkomplexe reihen sich nahtlos aneinander. Wir meiden auf unseren Touren solche Städte und besuchen sie allenfalls zum Auffüllen der Vorräte. Die schmalen Strandpromenaden sind in den letzten Jahren auch Stück um Stück für Wohnmobile gesperrt worden. Wer wie wir die Einsamkeit bevorzugt, der ist am Strand von Vadu goldrichtig. Allerdings nur außerhalb der Hochsommerzeit. Nördlich von Mamaia biegt man im Ort Corbu von der Hauptstraße ab und erreicht kurze Zeit später das Dorf Vadu. Von dort folgt man einer Plattenstraße in Richtung Meer. Irgendwann geht die Straße in eine Sandpiste über, die sich kilometerweit parallel zum Plaja Vadu entlang streckt. Als wir 2017 zum ersten Mal in Vadu ankamen, konnten wir unseren Augen kaum trauen. Wir hatten nicht mit einem so schönen und vor allem einsamen Küstenabschnitt gerechnet. Wochenlang verbrachten wir unsere Zeit dort. Außerhalb der Saison verschlägt es nur an den warmen Wochenenden einige Besucher so weit raus. Die einzige Strandbar ist dann schon geschlossen. Ein Traum, der jedoch bei starkem Regen böse enden kann, wenn man dann in den aufgeweichten Sandwegen stecken bleibt. Doch dieses kleine Risiko ist es wert, Hilfe würde sich im Dorf schon finden lassen.

Am Strand von Vadu bekamen wir eines Tages Besuch von einem mittelgroßen schwarzen Hund. Und als würde er uns schon ewig kennen, wich er uns tagelang nicht mehr von der Seite. Er schlief unter unserem Auto, rannte mit unseren Hunden durch die Dünen und fraß sehr bereitwillig das Futter, das sie mit ihm teilten. In der Nacht vor unserem Aufbruch verschwand unser Gast dann genau so plötzlich, wie er gekommen war. Wir denken noch oft daran zurück.

Für alle, die nach diesem Artikel mit dem Gedanken an ihre erste Reise nach Rumänien spielen: Warten Sie nicht zu lange! Machen Sie ruhig Pläne, aber seien Sie nicht allzu überrascht, wenn Ihre Reise dann ganz anders verläuft. In Rumänien passiert ständig etwas Unvorhergesehenes, Sie werden staunen … 🐾

Mehr auf: www.unterwegs-mit-olga.com

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