Heft 2/21, Leben mit Hunden

Individualdistanz … bei Mensch und Hund

Die Individualdistanz ist ein oft unterschätztes Thema – auch beim Camping. Wussten Sie, dass Hunde gleichermaßen wie manche Menschen darunter leiden, wenn ihre Individualdistanz unterschritten wird? Hatten Sie schon mal das Vergnügen mit Campingkuschlern? Oder sind Sie gar einer von denen? Egal, auf welcher Seite Sie stehen, dieser Artikel für Sie geschrieben.

Der Begriff Individualdistanz oder auch Individualraum stammt eigentlich aus dem Tierreich und bedeutet per Definition »die geringste noch geduldete Distanz zwischen Individuen einer Art«. Ein Unterschreiten dieser führt in Regel zuerst zum Drohen, wenn möglich zum Ausweichen und im schlimmsten Fall auch zum Angriff. Natürlich hängt die Individualdistanz von der Tierart und auch von der gegebenen Situation ab. Bei Wildtieren spielt auch die Tages- und Jahreszeit bzw. die Geschlechtszugehörigkeit und weitere Faktoren eine Rolle, aber in diesem Artikel geht es in erster Linie um den Hund.

Damit ein Hund in seiner »Wohlfühlzone« ganz entspannt ist, braucht es die Einhaltung der Individualdistanz durch andere Hunde, und ja, auch durch fremde Menschen, was beim Campen oft gar nicht so einfach ist. Wenn sich Hunde im freien Gelände und freilaufend begegnen, kann man sehr gut beobachten, wie die beiden ihr Aufeinandertreffen managen, zumindest bei Hunden mit intaktem Sozialverhalten. Dann erkennen und respektieren sie im Idealfall den jeweiligen Abstand zum anderen Hund. Sie stürmen nicht frontal aufeinander zu, und sie geben sich Zeit, einander abzuchecken bzw. ob sie »sich riechen« können. Sie gehen einen Bogen um den anderen, kommen sich nicht zu nahe und entscheiden dann, ob sie das Weite suchen oder mit dem andern eine weitere Interaktion stattfinden kann.

Sozialverhalten
Damit sich Hunde so entspannt begegnen können, müssen sie erst einmal ein gutes Sozialverhalten lernen. Sehr ursprüngliche Rassen oder auch Streunerhunde, die auf der Straße geboren wurden, können ein gutes Sozialverhalten auch schon mitbringen. Permanente Konfrontationen würden sich nachteilig auf ihr Leben und Überleben auswirken. Aus diesem Grund habe ich auch nie Bedenken, wenn ich mit unserem Redaktionshund Pauli Begegnungen mit Streunerhunden habe. Pauli hat ein gutes Sozialverhalten und Streunerhunde haben das in der Regel auch. Zumindest städtisch lebende Streuner. Bei Streuner-Rudel im ländlichen Raum muss man da schon etwas vorsichtiger sein.

Wer denkt, Hunde lernen in Welpengruppen ein gutes Sozialverhalten, der irrt. Mit wenigen Ausnahmen werden hier oft Welpen aller Größen und Altersgruppen zusammengewürfelt. Es strotzt nur so von Mobbing und gegenseitigen Angriffen. In solchen Gruppen lernen Hunde eher das Raufen als ein gutes Sozialverhalten. Deshalb achten Sie bei Ihrem nächsten Welpen darauf, dass Sie eine gute Welpengruppe finden. Sollte das nicht der Fall sein, ist es besser, Ihr Welpe wird von einigen wenigen Ihnen bekannten souveränen erwachsenen Hunden sozialisiert. Es ist auch nicht unbedingt förderlich, dass Ihr Hund mit jedem dahergelaufenen Hund spielen muss, denn bei vielen Hunden gilt »der will nicht nur spielen« …

Individualdistanz auf dem Campingplatz
Jetzt bin ich vom eigentlichen Thema etwas abgeschweift, aber das Sozialverhalten hängt ganz eng mit der Individualdistanz zusammen. Der Campingplatz stellt für den Hund eine ganz eigene Situation dar. In der Regel ist der Hund am Fahrzeug oder an einem Baum auf dem Stellplatz angeleint. Das bedeutet als Erstes einmal, dass Ihr Hund keine oder nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit hat, seine Individualdistanz zu vergrößern, sollte sich ein anderer Hund zu sehr nähern. Diese Situation wiederum verringert die Individualdistanz Ihres Hundes. Wenn Ihr Hund dann auch noch territoriale Züge hat, verfällt er am Wohnwagen abgebunden gleich in den »Hofhund«, der sein Haus und seinen Hof zu verteidigen hat.

Es ist daher absolut wichtig, dass Sie als Hundehalter dafür sorgen, dass die Individualdistanz Ihres Hundes durch andere Hunde (und Menschen) nicht unterschritten wird. Natürlich gibt es auch Ausnahmen bei Hunden, die jeden Fremden, sei es ein Hund oder Mensch, freudig begrüßen und kein Problem mit dem »Eindringen« in den Privatraum haben. Auf jeden Fall ist es die Pflicht eines Hundehalters, seinen Hund in solchen Situationen zu beobachten und im Zweifelsfall einzuschreiten. Es soll unbedingt vermieden werden, dass der Hund lernt, sein Heim durch Angriff (samt aller Vorzeichen) zu verteidigen, denn das sollte allein Ihre Aufgabe sein.

Je nach individuellem Charakter des Hundes kann die Individualdistanz unterschiedlich groß sein. Auch der Gesundheits- und Gemütszustand des Hundes hat einen Einfluss darauf. Bei Camperhunden hat sich gezeigt, dass meistens der eigene Stellplatz bzw. der Bereich um das Fahrzeug ungefähr der Individualdistanz des Hundes entspricht. Wie bereits oben beschrieben, ist die Tatsache, dass der Hund angeleint ist, ein wichtiger Faktor. Er hat keine Möglichkeit zu flüchten oder die Distanz zu vergrößern. Auch der oft fehlende Sichtkontakt zu sich annähernden Hunden kann Ihren am Fahrzeug angeleinten Hund in Stress versetzen.

Umgekehrt, wenn Sie mit Ihrem Hund durch den Campingplatz spazieren, führen Sie ihn bitte an der kurzen Leine und lassen ihn nicht an der Rollleine zu anderen Hunden und in deren »Revier« – sprich Stellplatz – hin stürmen. Damit ersparen Sie dem anderen Hund möglicherweise viel Stress und vermeiden vermutlich auch unnötiges Gebell. Anders ist das natürlich bei Hunden, die sich schon kennen und gut verstehen.

Wie ist Ihre Individualdistanz?
Spannen wir den Bogen jetzt von den Hunden zu uns Menschen. Ich für meinen Teil bin eher der Ruhe suchende Camper und stelle mich meistens etwas abseits hin. Dafür nehme ich auch einen weiteren Weg zum Sanitärhaus in Kauf und fahre notfalls mit dem Fahrrad hin. Nicht zuletzt ist es auch mit dem Hund angenehmer und entspannender, wenn nicht im zehn Minuten Takt jemand mit einem Hund vorbei geht.

Hilfe, Campingkuschler!
Kennen Sie das: Sie stehen ganz allein auf einem fast leeren Campingplatz und sehen »Neuankömmlinge« in den Platz fahren. Womöglich eine Familie mit mehreren Kindern nähert sich immer weiter und immer weiter, um sich schließlich auf dem fast leeren Campingplatz einen Meter neben Ihnen niederzulassen. Ich gebe zu, an diesem Punkt ist meine menschliche Individualdistanz eindeutig weit überschritten und ich muss die ungebetenen Nachbarn fragen, ob sie 20 Meter weiter allein Angst haben, oder warum sie sich sonst genau neben uns hinstellen.

Es kommt natürlich immer auf die Situation an. Wenn man auf einem parzellierten Platz steht, ist damit zu rechnen, dass sich auf den freien Nachbarplatz jederzeit ein anderer Camper hinstellen wird. Auch auf einem WoMo-Stellplatz steht man oft Auto an Auto im sogenannten Markisenabstand. Das ist alles im normalen Rahmen und ein erwartbarer Zustand. Jedoch sollte jeder Mensch so viel Feingefühl aufbringen, dass er die Individualdistanz eines anderen respektiert und sich auf einer freien Wiese nicht an den anderen »heranschmiegt«. In solchen Fällen fühle ich mich dann wie ein Hund, bei dem ein anderer in seine Individualdistanz eindringt.

Man hat Verständnis für Camper, die sich möglichst nahe ans Sanitärhaus stellen oder die sonstige Vorlieben haben. Aber die eigene Freiheit sollte dort enden, wo die Freiheit des anderen beschnitten wird. Also liebe Campingkuschler: Kuschelt euch an einen Baum oder an die Toiletten, aber bitte nicht an alleinstehende andere Camper, denn diese stehen dort, weil sie eben möglichst alleinstehen wollen. Wenn Sie einmal ein Camper anknurrt, anbellt oder beißt, dann wissen Sie, dass Sie seine Individualdistanz unterschritten haben … 🐾

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